Wie wir lernen  | Von Phillip-Simon Klein

Wissen: Welches, woher und wofür?

Wissen müssen und wissen wollen

Wissen, Information, Lernen und Bildung – gar nicht so einfach, das zu sortieren. Der Duden  bringt einen wesentlichen Aspekte ins Spiel: die Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand auf einem bestimmten Gebiet hat, also Informationen kennt. Gleichbedeutend zu Wissen bietet der Duden an: Allgemeinwissen, Bildung, geistiges Kapital, Kenntnisse.

Wissen steht also nicht alleine, ist also immer mit dem Ausprägen von Kenntnis verbunden, also sich Information anzueignen. Dort öffnet sich das Feld des Wissenserwerbs, der Bildung und des Lernens. Nicole Graf ist Hochschulrektorin der DHBW am Bildungscampus in Heilbronn. Die Professorin erläutert, welche Arten von Wissen es gibt und was formalen und informellen Wissenserwerb unterscheidet und wie Wissen in die Breite kommt.

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Es zeigt sich, dass eine Frage nach Wissen ganz verschieden beantwortet wird: mit Fokus auf Erziehung, auf berufliche oder schulische Bildung, manche sprechen auch über Fertigkeiten und Kompetenzen für den Alltag oder aber Allgemeinbildung. Neben dem formalen Lernen und dem Informellen gibt es natürlich noch die Form, Kenntnisse, unabhängig der Schul- und Berufsausbildung, zu erwerben, in der Freizeit, im Hobby.

Wissen müssen: Als Bildungsexpertin an einer Hochschule ist Nicole Graf zunächst einmal zuständig für formale Bildung. Dabei ist das Wissen zentral, das für eine Berufsausübung relevant ist. Es lässt sich festhalten, das der globale Bildungsstand so hoch wie nie zuvor ist, und wächst fast überall weiter.

Allein zwischen 2010 und 2015 hat sich die Anzahl der Bachelor-Abschlüsse in den Prüfungsjahren verdoppelt. Tatsächlich ist in den vergangenen Jahrzehnten die Anzahl der Menschen mit Bildungsabschlüssen von Hochschulen stark angestiegen. Das lässt sich an der Entwicklung der Bachelor- und Masterabschlüssen an deutschen Hochschulen in den Prüfungsjahren von 2000 bis 2021 erkennen:

Statistik: Studienabschlüsse: Anzahl der Bachelor- und Masterabschlüsse an Hochschulen in Deutschland in den Prüfungsjahren von 2000 bis 2021 | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Wissen wollen: Neben dem klassischen Wissen-Müssen und dem, was Nicole Graf als „Wissenserwerb nebenbei“ beschreibt, als informelles Wissen, gibt es noch nicht-formales Wissen, das der Mensch sich in der Freizeit aneignet, um seinen Wissensdurst zu stillen. Eine etablierte Größe dabei ist die Bildungsinstitution Volkshochschule.

Welchen Wissensbedürfnissen Menschen in der Freizeit nachgehen – das ist das Feld von Peter Hawighorst. Der Leiter der Volkshochschule Heilbronn erklärt, warum er sicher ist, dass Töpferkurse auch in dreißig Jahren noch nachgefragt sein werden und welche Themen Kursteilnehmer bis ins hohe Alter umtreibt.

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Der VHS-Leiter ist überzeugt, dass die Menschen sich immer individuell weiterbilden wollen. Dabei sei die Sinnstiftung zentral, erklärt Peter Hawighorst, dann lerne auch die Großmutter digitale Medien kennen, um mit dem Enkel in Singapur zu chatten. Hawighorst erwartet, dass die Nachfrage für klassische Volkshochschul-Seminare aufrechterhalten bleibt, auch für Sprach- oder Kreativkurse. Auf die Frage, ob der Töperkurs 2050 ins Hintertreffen gerät, sagt Hawighorst: „Gerade auf traditionelle Kreativtechniken besinnen sich die Menschen.“

Für die Bildungsinstitution kommen aber auch neue Themen und Interessensgebiete hinzu, so VHS-Leiter Peter Hawighorst , die die Volkshochschule bedient und ausbauen will, darunter Digitales und Nachhaltigkeit angesichts des Klimawandels.

Wissen als Allgemeingut – und die Tücken der Informationsgesellschaft

„Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß“ - Georg Simmel

Auf der „Datenautobahn“ sei das Wissen und damit „überall“, sagt DHBW-Rektorin Nicole Graf. Auch, dass Wissen aus dem Elfenbeinturm herauskomme, bestätigt die Professorin. Indem sich Informationen – gleich jeder Güte und Zuverlässigkeit – überall finden lassen, Wissen also zum Gemeingut wird, gerät der Geltungsanspruch von traditionell „gesichertem Wissen“ ins Wanken.

Dass politische Akteure mit Mitteln der  Desinformation Wahrheit und Fakten verdrehen, ist  keine neue Entwicklung. Doch die Digitalisierung beschleunigt die Verbreitung von falschen Informationen und Fake-News. Während Institutionen der formalen Bildung die Richtigkeit ihrer Informationen eher sicherstellen können, stellt sich das bei Privatpersonen anders dar.

Gerade, wie Menschen in der Freizeit Informationen aufnehmen, sich in der Flut von Informationen orientieren, ist für Zukunftsforscher eine wichtige Frage für die kommenden Jahre. Was glaubt Peter Hawighorst, wie Menschen mit der Informationsflut umgehen werden – und welche Rolle die Volkshochschule dabei spielen kann, dass sich die Menschen in der digitalisierten Welt zurechtfinden werden?

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Peter Hawighorst argumentiert, dass Bildungsinstitutionen – aber auch Medien – mit der Digitalisierung Schritt halten müssen. Ob tatsächlich Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen wird, richtige von falschen Informationen zu unterscheiden, wie sich es Peter Hawighorst vorstellt, bleibt abzuwarten.

Man müsse unterscheiden zwischen den Menschen, die sich informieren, ohne dabei auf traditionelle Medien zurückzugreifen, und jenen, die „nur am schnellen Schlagwort“ interessiert seien, sagt Peter Hawighorst. Dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Informationen und der Komplexität eine große Herausforderung für die Gesellschaft ist, meinen auch Zukunftsforscher.

Unter dem Stichwort der digitale Spaltung (Digital Divide) wird seit Mitte der 1990er-Jahren unter anderem diskutiert, welche Unterschiede sich zwischen Bevölkerungsgruppen auftun, die mehr oder weniger Zugang zum Internet haben und dieses nutzen. Lange hatte grundlegend gegolten, dass stärkere digitale Vernetzung bessere soziale und wirtschaftliche Entwicklungschancen bedeuteten.

Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, darunter neben Fake-News auch Online-Mobbing oder Cyber-Crime, zeigt sich eine andere Spaltung. Dabei kommt es auf die Medienkompetenz an. Dazu macht sich auch Hochschulrektorin Nicole Graf Gedanken. Ihr Plädoyer lautet, dass man sich um alle Menschen bemühen müsse, besonders die, die keinen bildungsbürgerlichen Hintergrund haben. Verstärkt sich die Spaltung zwischen denen, die digitale Digital- und Medienkompetenz haben, und denen, die diese Kompetenz fehlt?

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Mit Hinblick auf die Förderung von Medienkompetenz hebt Nicole Graf hervor, es sei bis zum Jahr 2050 ungemein wichtig, sich bereits heute um die Kinder in Grundschulen und Kindergärten zu bemühen. Auch Zukunftsforscher sehen die große Aufgabe für den Bildungssektor darin, dafür zu arbeiten, die digitale Spaltung zu überwinden.

Wie wissen in der Zukunft entsteht und vermittelt wird

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ - Sokrates, angeblich

Mit dem Begriff des lebenslangen Lernens (Lifelong Learning) wird der von DHBW-Rektorin Nicole Graf angesprochenen „Halbwertszeit des Wissens“ begegnet. Angenommen wird, dass Wissen und Fähigkeiten, die aus der formalen Bildung stammen, nicht für eine Berufslaufbahn ausreichen werden – auch nicht für gesellschaftliche Teilhabe. Arbeitsbedingungen sind im Wandel, wie auch die Ansprüche an das Individuum.

 

Lebenslanges Lernen kann für Menschen eine Möglichkeit sein, die dazu verhilft „ihr Leben erfolgreich zu gestalten“, sagt VHS-Leiter Peter Hawighorst. Außerdem geht Hawighorst davon aus, dass informell erworbenes Wissen zukünftig auf dem Arbeitsmarkt eine stärkere Rolle spielen wird.

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Neben den Veränderungen, die auf verschiedenen Wissensmärkten Einzug halten werden, geht Peter Hawighorst, Geschäftsführer VHS Heilbronn, unter anderem davon aus, dass Lernen in Gemeinschaft attraktiv bleibt. Auch Professorin Nicole Graf ist überzeugt, dass Lernen allein am Bildschirm in der Zukunft nicht als Ideal angesehen werden wird. Der Austausch – besonders in Präsenz – mit anderen fördere die Kreativität.

 

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Anhand von Trends und Tendenzen, die uns heute bereits begegnen, entwickeln Zukunftsforscher Szenarien. Nicole Graf macht sich Gedanken darüber, welche Konstanten beim Wissenserwerb bestehen bleiben, erinnert aber auch daran, dass es vor kaum 30 Jahren die erste E-Mail gab. Die DHBW-Rektorin überlegt: „Gibt es bis 2050 Technologien, die unsere Lernprozesse völlig verändern werden?“