Wie wir fahren  | Von Julian Ruf

Bürgermeister Ringle im Gespräch

Zur Person

Seit Juli vergangenen Jahres ist der 48-jährige Andreas Ringle (Grüne) neuer Baubürgermeister der Stadt Heilbronn. Der gebürtige Rheinland-Pfälzer studierte Architektur in Karlsruhe und Barcelona und arbeitete ab dem Jahr 2010 für die Stadt Karlsruhe im Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, dessen stellvertretender Leiter er 2013 wurde. Als amtierender Baubürgermeister der Stadt Heilbronn ist ihm auch das Amt für Straßenwesen unterstellt. In dieser Funktion spricht er über das Thema „Mobilität“ für die Heilbronner Bürger und was zukünftig dafür getan werden soll, um diese zu verbessern. Die Stadt Heilbronn hat bereits im Jahr 2015 ihr „Mobilitätskonzept 2030“ vorgestellt und will darüber hinaus verschiedene Maßnahmen in die Wege leiten, um den Verkehr im Stadtgebiet fit für die weitere Zukunft zu machen.

Mobilität

Wie stellen sich eigentlich die Heilbronner die Mobilität der Zukunft vor und was wünschen sie sich?

Wir haben uns in der Innenstadt umgehört.

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Straßenumfrage

Interview

Bürgermeister Ringle: „Heilbronn ist keine typische Fahrradstadt.“

Herr Ringle, in welche Richtung könnte sich die Mobilität in Heilbronn bis ins Jahr 2050 entwickeln?

Andreas Ringle: Mobilität ist und bleibt ein zentrales Thema in unserer Gesellschaft. Früher war sie sehr begrenzt, man ist vielleicht mal auf die Schwäbische Alb gefahren. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Unsere persönlichen Wegstrecken werden immer zahlreicher und differenzierter. Für die Zukunft erwarte ich deshalb eine noch stärkere Individualisierung bei der Mobilität. Auf Heilbronn bezogen stelle ich mir das so vor, dass jeder ein anderes Mobilitätsangebot nutzen wird, sei es Auto, Fahrrad, Bus oder Bahn. Die verschiedenen Angebote werden in Zukunft jedoch viel stärker miteinander verknüpft werden müssen, um dem gesteigerten Mobilitätsgedanken gerecht zu werden und auch um die Innenstadt attraktiv zu halten.

Was braucht Heilbronn momentan am dringendsten, um den Verkehr in der Stadt zukunftssicherer und umweltfreundlicher zu gestalten?

Ringle: Es benötigt Veränderungen, um den Verkehr zukunftssicher und umweltfreundlich zu gestalten. Die Infrastruktur aber auch das Verständnis von Mobilität muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Unsere Region war und ist sehr vom Auto geprägt, deshalb prognostiziere ich einmal, dass das E-Auto in der Region künftig auch eine Vorrangstellung einnehmen wird. In dieser Hinsicht muss also viel für die E-Mobilität getan werden, einschließlich eines Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Wenn wir Klimaziele erreichen wollen, müssen wir entweder den Verbrauch der Verbrenner stark senken oder auf das E-Auto umsteigen. Weiterhin müssen andere Mobilitätsangebote geschaffen werden, damit ein Umstieg auf diese attraktiv ist. Sollten wir so weitermachen wie bisher, erreichen wie die Klimaziele nicht.  So gibt es eine ganze Reihe an Themen, die uns als Stadt vor große Herausforderungen stellen.

In anderen Städten hört man oft von Privilegien im städtischen Verkehr, die speziell für E-Autos gelten. Gibt es oder wird es diese auch in Heilbronn geben?

Ringle: In vielen Bereichen in der Innenstadt gibt es für E-Auto-Besitzer Parkprivilegien. Dort können die Autos zwei Stunden umsonst geparkt werden. In der Lohtorstraße ist es sogar möglich, den ganzen Tag umsonst zu parken. Wir haben uns aber bewusst dagegen entschieden, den elektrischen Pkw-Verkehr auf die speziellen Busspuren der Stadt zu erweitern, denn das hätte beispielsweise zu Änderungen im Bereich der Kreuzungen geführt.

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Welche Vorteile wird das neue Parkleitsystem den Heilbronnern bringen?

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Ringle: Vor allem soll der Verkehr durch Parkplatzsuchende abnehmen. Es ist ein Angebot an die Menschen, einfach und direkt ein Parkhaus anzusteuern. Darüber hinaus fungiert das System auch als allgemeines Verkehrsleitsystem. Das System wird alle Verkehrsteilnehmer über Baustellen, Schulbeginn oder andere aktuelle Vorkommnisse informieren.

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Mit Blick auf das E-Auto wird also Heilbronn dann doch keine „Fahrradstadt“ mehr?

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Ringle: Ich glaube, das Fahrrad wird auch hier eine zunehmend größere Rolle spielen, obwohl Heilbronn keine typische Fahrradstadt, wie zum Beispiel Tübingen oder Heidelberg, ist. Wir haben eine eigene DNA. Natürlich wollen wir die Attraktivität des Fahrrads weiter steigern und auch in diesem Mobilitätsbereich verstärkt Angebote machen. Aber in Heilbronn wechseln sich flache Gebiete, wie zum Beispiel die Kernstadt, mit höher gelegenen Gebieten ab.

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Die ICE-Direktverbindung von Berlin nach HN wurde 2019 von der Deutschen Bahn nicht fortgeführt. Gibt es noch Hoffnung für eine baldige Wiederaufnahme der Verbindung?

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Ringle: Selbstverständlich ist so eine Verbindung sehr sinnvoll und für die Zukunft erstrebenswert. Wir sind weiterhin in Gesprächen mit dem Bundesverkehrsministerium und arbeiten daran, wieder eine Anbindung an den Bundesfernverkehr zu bekommen. Unser Fokus ist zunächst darauf gerichtet, die Zugverbindungen von Heilbronn zu den Fernverkehrsknoten Würzburg, Mannheim und Stuttgart zu verbessern. Da wird es demnächst konkrete Gespräche mit dem Bund und dem Land geben.

Laut des Mobilitätskonzepts möchte die Stadt den Autoverkehr in sensiblen Bereichen reduzieren? Wird die Allee dann wieder Fußgängerzone?

Ringle: Wir wollen in Zukunft den Verkehr in sensiblen Bereichen reduzieren, aber es geht vor allem auch darum, den öffentlichen Raum, den Autos zum Parken benötigen, besser zu nutzen. Wir arbeiten gerade an dem Entwurfsprojekt „Turmstraße/Zehentgasse“, wo der nördliche Bereich der Heilbronner Innenstadt umgestaltet und weitestgehend vom Parkverkehr befreit sein wird, um den Anwohnern neue Räume zu bieten. Im Sommer haben wir mit dem Projekt „Sommerzone“ bereits ein Konzept in der Turmstraße erfolgreich getestet, bei dem Anwohner und Bürger von zusätzlichen Grünflächen, Parklets und Sitzmöglichkeiten mit Nebelbäumen profitiert haben. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass die Allee in Zukunft wieder zum Thema wird, wenngleich sie ja vor nicht allzu langer Zeit schon einmal umgestaltet wurde. Heilbronn hat sich zwar in den vergangenen Jahren eher in Richtung Neckar entwickelt, trotzdem möchten wir die Allee weiter attraktiv halten.

Im „Mobilitätskonzept 2030“ soll der Radverkehr in Heilbronn zwischen 2015 und 2030 nur um rund fünf Prozent zunehmen. Ist das für die ferne Zukunft nicht etwas wenig?

Ringle: Zugegeben, im Vergleich zu den Zielen des Landes, ist da noch etwas Luft nach oben. Baden-Württemberg hat rund 20 Prozent Radverkehr bis zum Jahr 2030 vorgegeben. Wir wollen uns aber auch erreichbare Ziele für die Zukunft setzen. Das E-Fahrrad hat aber in dieser Hinsicht auch in Heilbronn großes Potential und wird uns bei der Erreichung dieses Zieles sehr stark unterstützen.

Seit Jahren ringt man im Gemeinderat um den Ausbau des stillgelegten Lerchenbergtunnels zum Fahrradtunnel. Hat das Projekt eine Zukunft?

Ringle: Der Ausbau des Lerchenbergtunnels ist tatsächlich immer noch Thema. Am Ende liegt die Entscheidung beim Gemeinderat. Über den Ausgang möchte ich nicht spekulieren. Der Gemeinderat hat im Oktober 2022 der Erstellung einer Vorplanung inklusive Kostenschätzung zugestimmt, danach haben wir eine gute Entscheidungsgrundlage für die städtischen Gremien wie es mit Lerchenbergtunnel weitergeht.

An welchen zukunftsträchtigen Projekten für den Radverkehr wird denn derzeit in der Region gearbeitet?

Ringle: Gerade wird ein Fahrradschnellweg am Neckar realisiert. Eine große Radtrasse, die ausschließlich dem Radverkehr dienen soll, wird von Bad Wimpfen durch Heilbronn laufen und am Neckar entlang in Richtung Stuttgart führen. Hierzu gibt es in Heilbronn ein kommunales Konzept, welches dann die einzelnen Stadtteile an diesen Radschnellweg anbinden soll. Das ist momentan das markanteste Projekt und es wird auch bereits an der Planung gearbeitet. Gelder im Haushalt sind dafür vorgesehen.

Heilbronn hat jetzt ein modernes Fahrradparkhaus. Kommt da noch mehr?

Ringle: Es werden in Zukunft noch weitere Parkmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen, damit der Radverkehr zunehmen kann. Das Fahrradparkhaus am Bahnhof ist eine besondere Mobilitätsstation, die die Verkehrsmittel Fahrrad und Bahn nahtlos miteinander verknüpft, auf die wir stolz sind. Gerade was den Umstieg auf die Bahn anbelangt, ist das Parkhaus sehr nützlich und bietet für Pendler und Studenten ein hohes Maß an Flexibilität. Das Land fördert für die nächsten vier Jahre eine Personalstelle, die sich speziell um Mobilitätsstationen kümmern wird. Bushaltestellen könnten dann theoretisch zu kleinen Mobilitätsstationen ausgebaut und beispielsweise mit Fahrradboxen und Paketstationen versehen werden. Das würde den letzten Kilometer zur Arbeitsstelle oder nach Hause mit den Öffentlichen attraktiver gestalten. Wir arbeiten derzeit ein Konzept aus, das solche Stationen im gesamten Stadtgebiet ermöglichen soll. Zusammen mit dem Landkreis wird auch über ein einheitliches Design für diese Mobilitätsstationen nachgedacht, damit sie zukünftig in der Stadt und im Heilbronner Landkreis schnell erkannt und gefunden werden können.

Sogenannte Ride-On-Demand-Programme sind derzeit in aller Munde. In Heilbronn gibt es seit kurzem mit dem Nachtshuttle „Buddy“ ein solches Angebot. Der Shuttle kann per App zur Abholung gerufen werden. Ist das die Lösung für mangelnde nächtliche ÖPNV-Verbindungen?

Ringle: Das ist richtig. Wir testen mit dem Buddy-Bus diesen Ansatz und sammeln dadurch wichtige Erkenntnisse. Die Resonanz ist bisher sehr positiv und es besteht die Möglichkeit, dass wir das Ganze in Zukunft ausbauen werden, auch um das Umland besser anzubinden.

Eine Frage zum Schluss, die viele Menschen in der Region immer wieder umtreibt. Wie kann die Verkehrsanbindung des ländlichen Raumes an die Stadt ihrer Meinung nach in Zukunft verbessert werden?

Ringle: Diese Anbindung zu verbessern, ist eine der wesentlichen Herausforderungen an die Mobilität der Zukunft. Die Einwohner der großen Städte haben natürlich mehr Möglichkeiten, die öffentlichen Verkehrsmittel und das Fahrrad zu nutzen, als die Menschen, die in weniger dicht besiedelten Gebieten leben. Im ländlichen Raum wird meiner Meinung nach das Thema Car-Sharing und On-Demand-Angebote künftig eine große Rolle spielen. Wir arbeiten aber weiter mit dem Landkreis zusammen, um auch die klassischen öffentlichen Verkehrsmittel im ländlichen Raum auszubauen.