Wie wir altern | Von Maike Skerstins

Das biologische versus das gefühlte Alter

Wir werden alt. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber die gute Nachricht vorab: Wer sich alt fühlt, kann das ändern und verlängert dadurch unter Umständen auch seine Lebenserwartung. Psychotherapeutin Heidrun Landwehr aus Heilbronn verrät im Interview, wie wir uns jung denken können und weshalb das so wichtig ist.

Nicht selten fühlen sich Klienten und Klientinnen nach einem Gespräch mit Psychotherapeutin Heidrun Landwehr wieder tatkräftig und jung.

Wieso fühlt man sich eigentlich jünger, als man biologisch ist?

„Dadurch, dass wir länger leben, verschiebt sich auch die Lebensgestaltung. Wir kriegen später Kinder, wir arbeiten länger. Meistens startet man nach der Lebensphase Kinder auch nochmal beruflich durch, sodass man einfach das Gefühl hat, dass das Leben länger ist. Das wiederum hält einen auch länger jung. Außerdem ist die medizinische Versorgung besser geworden; die Menschen sind viel fitter. So erlebe ich es auch in der Praxis.“

Was heißt eigentlich, sich jünger zu fühlen?

„Es ist erstmal eine Definitionssache, denn Jungsein per se ist nicht unbedingt positiv. Man muss noch alles lernen und man denke da an die typischen Hormonüberschüsse – Stichwort Pickel. Außerdem muss man sich noch seinen Platz erkämpfen. Wenn man jetzt aber Jungsein dahingehend definiert, dass es eine Phase ist, in der man sich aktiv fühlt und sich denkt: „Ich kann mein Leben gestalten und habe es selbst in der Hand“, hat es den Vorteil, dass man auch seine nächsten Lebensphasen aktiv gestaltet. Das Gefühl Jungsein bedeutet, ich nehme am Leben teil, mache Sport oder setze mich mit neuen Dingen auseinander und ganz besonders, dass ich mit meinen Krisen umgehen kann. Nicht sein eigener Herr zu sein, gibt einem das Gefühl gelähmt, geschwächt oder gar schon alt zu sein.

Neues auszuprobieren hält jung, dabei spielt das Alter keine Rolle“

Um wie viele Jahre fühlen sich die Junggebliebenen denn jünger?

 

„Forscher haben festgestellt, dass sich im Moment die sogenannten Forever Youngsters, die jungen Alten – Menschen im Alter von 60 bis 79 Jahre – um die 15 Lebensjahre jünger fühlen. Teilweise sind diese Menschen noch berufstätig und machen zum Beispiel den Bundesfreiwilligendienst.“

Kann es denn Nachteile haben, sich jünger zu fühlen?

 

„Eigentlich hat es nur Vorteile. Wenn ich mich jünger fühle, eben tatkräftiger, und weiß, dass ich mein Leben meistern kann, sehe ich da wenige Nachteile. Es ist eher ein Nachteil, wenn ich merke, ich bin gar nicht mehr so jung und hadere mit meinem Äußeren und versuche, da irgendwie die Fassade aufrecht zu halten. Wenn ich mich eben nicht damit abfinden kann, älter zu werden. Es ist wichtig, dass man eine positive Einstellung zum Altern entwickelt, damit man auch das Jungsein genießen kann – auch im Alter.“

Körper gegen Geist – wer gewinnt, wenn es um das Altersgefühl geht?

 

„In der Wissenschaft spricht man vom Altersparadoxon, das besagt, dass auch ganz alte Menschen mit körperlichen Gebrechen eine große Lebenszufriedenheit haben können. Diese sind meist auch sozial eingebunden. Das Gefühl, jung zu sein, hat nicht unbedingt mit der körperlichen Fitness zu tun, sondern eher mit der geistigen.“

Dann verraten Sie mir unbedingt, wie man sich jung denken kann?

 

„In der Psychologie spricht man von Embodiment (deutsch: Verkörperung), also Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig. Der Körper zeigt nach außen, wie er sich fühlt. Wenn jemand depressiv ist, dann läuft diese Person gebückt. Im Umkehrschluss wurde aber auch herausgefunden, dass man sein Körpergefühl durch die Körperhaltung bewusst beeinflussen kann. Wenn man sich schlecht fühlt, hilft es, sich aufrecht hinzustellen. Schauspieler sagen zum Beispiel, wenn sie die Körperhaltung einer Figur annehmen, dann kommt das Gefühl bei ihnen auch im Organismus an; sie fühlen den Charakter der Rolle. Die gute Nachricht also: Man kann sich auch in eine gute Stimmung lachen. Der Körper unterscheidet nicht, ob es echt ist oder nicht. Er schüttet durchs Lachen Glückshormone aus. Kurz gesagt: Das junge Gefühl stellt sich dann ein, wenn ich aktiv bin und mein Leben gestalten möchte. Ob man sich jung fühlt, hängt eben davon ab, wie man über das Alter denkt. Man kann also daran arbeiten.“

 

Ein Experiment aus den späten 1970er Jahren verdeutlicht, dass man sich tatsächlich jung denken kann. Und die Ergebnisse sind sogar medizinisch messbar.

Sterben Junggebliebene später?

 

„Ja, ich glaube, dass Junggebliebene vielleicht später sterben, weil sie vieles richtig machen. Menschen, die sich jünger fühlen, ernähren sich auch in der Regel gesünder und treiben Sport. Sie haben meist viele soziale Kontakte, genießen das Leben und haben dadurch oftmals eine gewisse Gelassenheit entwickelt. Das alles wirkt sich förderlich auf die Gesundheit des Körpers aus. Die Yale Universität hat festgestellt, dass Menschen, die positiv in die Zukunft blicken, im Schnitt siebeneinhalb Jahre länger leben. Stellen Sie sich mal vor: Arbeitslosigkeit verdoppelt das Risiko – bei Menschen im Alter von 30 bis 59 Jahren – früher zu sterben; schlechte Bildung erhöht das Risiko um 30 Prozent. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig das Gefühl ist, sein Leben in der Hand zu haben, eben selbstbestimmt zu sein. Wenn ich fühle, dass ich was bewirken kann, dann kommt das jugendliche Gefühl in einem auf.“

Welcher Faktor erhöht das Risiko von arbeitslosen und schlechtgebildeten Menschen, früher zu sterben?

„Eindeutig Stress. Der Körper kommt aus dem Gleichgewicht und die Selbstheilungskräfte des Immunsystems arbeiten nicht mehr optimal.“

Zu welchen Konflikten führt es, wenn Altersgenossen noch wie Jugendliche herumspringen, man selbst aber nicht?

 

„Es ist immer schlecht im Leben, wenn man sich mit anderen vergleicht. Das sollte man auf jeden Fall nie tun. Wenn man sieht, dass der Nachbar im Garten noch wie ein Zwanzigjähriger rumhüpft und ich selber kann das nicht mehr, dann geht es eher darum, dass man manch körperliche Gebrechen einfach akzeptieren muss. Wenn ich das akzeptiere, komme ich auch wiederum zu mehr Zufriedenheit. Länger jung zu bleiben, bedeutet: Diese kleinen Abnutzungserscheinungen einfach zu akzeptieren, denen gar nicht so viel Bedeutung beizumessen. Sondern zu sagen, es ist, wie es ist, dann mache ich die Arbeit eben langsamer.“

Wieso fühlt man sich eigentlich jünger, als man biologisch ist?

„Dadurch, dass wir länger leben, verschiebt sich auch die Lebensgestaltung. Wir kriegen später Kinder, wir arbeiten länger. Meistens startet man nach der Lebensphase Kinder auch nochmal beruflich durch, sodass man einfach das Gefühl hat, dass das Leben länger ist. Das wiederum hält einen auch länger jung. Außerdem ist die medizinische Versorgung besser geworden; die Menschen sind viel fitter. So erlebe ich es auch in der Praxis.“

Was heißt eigentlich, sich jünger zu fühlen?

„Es ist erstmal eine Definitionssache, denn Jungsein per se ist nicht unbedingt positiv. Man muss noch alles lernen und man denke da an die typischen Hormonüberschüsse – Stichwort Pickel. Außerdem muss man sich noch seinen Platz erkämpfen. Wenn man jetzt aber Jungsein dahingehend definiert, dass es eine Phase ist, in der man sich aktiv fühlt und sich denkt: „Ich kann mein Leben gestalten und habe es selbst in der Hand“, hat es den Vorteil, dass man auch seine nächsten Lebensphasen aktiv gestaltet. Das Gefühl Jungsein bedeutet, ich nehme am Leben teil, mache Sport oder setze mich mit neuen Dingen auseinander und ganz besonders, dass ich mit meinen Krisen umgehen kann. Nicht sein eigener Herr zu sein, gibt einem das Gefühl gelähmt, geschwächt oder gar schon alt zu sein.“

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Um wie viele Jahre fühlen sich die Junggebliebenen denn jünger?

„Forscher haben festgestellt, dass sich im Moment die sogenannten Forever Youngsters, die jungen Alten – Menschen im Alter von 60 bis 79 Jahre – um die 15 Lebensjahre jünger fühlen. Teilweise sind diese Menschen noch berufstätig und machen zum Beispiel den Bundesfreiwilligendienst.“

Kann es denn Nachteile haben, sich jünger zu fühlen?

„Eigentlich hat es nur Vorteile. Wenn ich mich jünger fühle, eben tatkräftiger, und weiß, dass ich mein Leben meistern kann, sehe ich da wenige Nachteile. Es ist eher ein Nachteil, wenn ich merke, ich bin gar nicht mehr so jung und hadere mit meinem Äußeren und versuche, da irgendwie die Fassade aufrecht zu halten. Wenn ich mich eben nicht damit abfinden kann, älter zu werden. Es ist wichtig, dass man eine positive Einstellung zum Altern entwickelt, damit man auch das Jungsein genießen kann – auch im Alter.“

Körper gegen Geist – wer gewinnt, wenn es um das Altersgefühl geht?

„In der Wissenschaft spricht man vom Altersparadoxon, das besagt, dass auch ganz alte Menschen mit körperlichen Gebrechen eine große Lebenszufriedenheit haben können. Diese sind meist auch sozial eingebunden. Das Gefühl, jung zu sein, hat nicht unbedingt mit der körperlichen Fitness zu tun, sondern eher mit der geistigen.“

Dann verraten Sie mir unbedingt, wie man sich jung denken kann?

„In der Psychologie spricht man von Embodiment (deutsch: Verkörperung), also Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig. Der Körper zeigt nach außen, wie er sich fühlt. Wenn jemand depressiv ist, dann läuft diese Person gebückt. Im Umkehrschluss wurde aber auch herausgefunden, dass man sein Körpergefühl durch die Körperhaltung bewusst beeinflussen kann. Wenn man sich schlecht fühlt, hilft es, sich aufrecht hinzustellen. Schauspieler sagen zum Beispiel, wenn sie die Körperhaltung einer Figur annehmen, dann kommt das Gefühl bei ihnen auch im Organismus an; sie fühlen den Charakter der Rolle. Die gute Nachricht also: Man kann sich auch in eine gute Stimmung lachen. Der Körper unterscheidet nicht, ob es echt ist oder nicht. Er schüttet durchs Lachen Glückshormone aus. Kurz gesagt: Das junge Gefühl stellt sich dann ein, wenn ich aktiv bin und mein Leben gestalten möchte. Ob man sich jung fühlt, hängt eben davon ab, wie man über das Alter denkt. Man kann also daran arbeiten.“

Ein Experiment aus den späten 1970er Jahren verdeutlicht, dass man sich tatsächlich jung denken kann. Und die Ergebnisse sind sogar medizinisch messbar.

Sterben Junggebliebene später?

„Ja, ich glaube, dass Junggebliebene vielleicht später sterben, weil sie vieles richtig machen. Menschen, die sich jünger fühlen, ernähren sich auch in der Regel gesünder und treiben Sport. Sie haben meist viele soziale Kontakte, genießen das Leben und haben dadurch oftmals eine gewisse Gelassenheit entwickelt. Das alles wirkt sich förderlich auf die Gesundheit des Körpers aus. Die Yale Universität hat festgestellt, dass Menschen, die positiv in die Zukunft blicken, im Schnitt siebeneinhalb Jahre länger leben. Stellen Sie sich mal vor: Arbeitslosigkeit verdoppelt das Risiko – bei Menschen im Alter von 30 bis 59 Jahren – früher zu sterben; schlechte Bildung erhöht das Risiko um 30 Prozent. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig das Gefühl ist, sein Leben in der Hand zu haben, eben selbstbestimmt zu sein. Wenn ich fühle, dass ich was bewirken kann, dann kommt das jugendliche Gefühl in einem auf.“

Welcher Faktor erhöht das Risiko von arbeitslosen und schlechtgebildeten Menschen, früher zu sterben?

„Der Körper kommt aus dem Gleichgewicht und die Selbstheilungskräfte des Immunsystems arbeiten nicht mehr optimal.“

Zu welchen Konflikten führt es, wenn Altersgenossen noch wie Jugendliche herumspringen, man selbst aber nicht?

„Es ist immer schlecht im Leben, wenn man sich mit anderen vergleicht. Das sollte man auf jeden Fall nie tun. Wenn man sieht, dass der Nachbar im Garten noch wie ein Zwanzigjähriger rumhüpft und ich selber kann das nicht mehr, dann geht es eher darum, dass man manch körperliche Gebrechen einfach akzeptieren muss. Wenn ich das akzeptiere, komme ich auch wiederum zu mehr Zufriedenheit. Länger jung zu bleiben, bedeutet: Diese kleinen Abnutzungserscheinungen einfach zu akzeptieren, denen gar nicht so viel Bedeutung beizumessen. Sondern zu sagen, es ist, wie es ist, dann mache ich die Arbeit eben langsamer.“

Zur Person

Heidrun Landwehr arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeutin und Mediatorin. Im Gespräch versucht sie, ihren Klienten und Klientinnen die richtigen Fragen zu stellen, damit sie eigenverantwortlich zu ihren individuellen Lösungen gelangen. „Sie fühlen sich dann wieder tatkräftig und damit auch jung“, erzählt die 58-Jährige.
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Welche Vor- und Nachteile gibt es, wenn die Menschen immer älter werden?